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Literature: Der Sandmann.

  Seite 24: Der Sandmann.



deutscher Text English text
 

Neulich steige ich die Treppe herauf und nehme wahr, daß die sonst einer Glastüre dicht vorgezogene Gardine zur Seite einen kleinen Spalt läßt. Selbst weiß ich nicht, wie ich dazu kam, neugierig durchzublicken. Ein hohes, sehr schlank im reinsten Ebenmaß gewachsenes, herrlich gekleidetes Frauenzimmer saß im Zimmer vor einem kleinen Tisch, auf den sie beide Ärme, die Hände zusammengefaltet, gelegt hatte. Sie saß der Türe gegenüber, so, daß ich ihr engelschönes Gesicht ganz erblickte. Sie schien mich nicht zu bemerken, und überhaupt hatten ihre Augen etwas Starres, beinahe möcht ich sagen, keine Sehkraft, es war mir so, als schliefe sie mit offnen Augen. Mir wurde ganz unheimlich und deshalb schlich ich leise fort ins Auditorium, das daneben gelegen. Nachher erfuhr ich, daß die Gestalt, die ich gesehen, Spalanzanis Tochter, Olimpia war, die er sonderbarer und schlechter Weise einsperrt, so, daß durchaus kein Mensch in ihre Nähe kommen darf. - Am Ende hat es eine Bewandtnis mit ihr, sie ist vielleicht blödsinnig oder sonst. - Weshalb schreibe ich Dir aber das alles? Besser und ausführlicher hätte ich Dir das mündlich erzählen können. Wisse nämlich, daß ich über vierzehn Tage bei Euch bin. Ich muß mein süßes liebes Engelsbild, meine Clara, wiedersehen. Weggehaucht wird dann die Verstimmung sein, die sich (ich muß das gestehen) nach dem fatalen verständigen Briefe meiner bemeistern wollte. Deshalb schreibe ich auch heute nicht an sie. Tausend Grüße.

 

I lately went up his stairs, and perceived that the curtain, which was generally drawn completely over a glass door, left a little opening on one side. I know not what curiosity impelled me to look through. A very tall and slender lady, extremely well-proportioned and most splendidly attired, sat in the room by a little table on which she had laid her arms, her hands being folded together. She sat opposite the door, so that I could see the whole of her angelic countenance. She did not appear to see me, and indeed there was something fixed about her eyes as if, I might almost say, she had no power of sight. It seemed to me that she was sleeping with her eyes open. I felt very uncomfortable, and therefore I slunk away into the lecture-room close at hand. Afterwards I learned that the form I had seen was that of Spalanzani's daughter Olympia , whom he keeps confined in a very strange and barbarous manner, so that no one can approach her. After all, there may be something the matter with her; she is half-witted perhaps, or something of the kind. But why should I write you all this? I could have conveyed it better and more circumstantially by word of mouth. For I shall see you in a fortnight. I must again behold my dear, sweet angelic Clara. My evil mood will then be dispersed, though I must confess that it has been struggling for mastery over me ever since her sensible but vexing letter. Therefore I do not write to her today. A thousand greetings.


Vokabular  
 

wahrnehmen = to observe

 

die Bewandtnis = the case, the matter

 

bemeistern = to master

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