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Literature: Goethe - Das Märchen

  Seite 33: J. W. von Goethe: Das Märchen



deutscher Text English text
 

Es ist nicht freundlich, rief Lilie ihm entgegen, daß du mir das verhaßte Tier vor die Augen bringst, das Ungeheurer, das meinen kleinen Sänger heute getötet hat. Schilt den unglücklichen Vogel nicht! versetzte darauf der Jüngling; klage vielmehr dich an und das Schicksal, und vergönne mir, daß ich mit dem Gefährten meines Elends Geschäfte mache.
Indessen hörte der Mops nicht auf, die Schöne zu necken, und sie antwortete dem durchsichtigen Liebling mit dem freundlichen Betragen. Sie klatschte mit den Händen, um ihn zu verscheuchen; dann lief sie, um ihn wieder nach sich zu ziehen. Sie suchte ihn zu haschen, wenn er floh, und jagte ihn von sich weg, wenn er sich an sie zu drängen versuchte. Der Jüngling sah stillschweigend und mit wachsendem Verdrusse zu; aber endlich, da sie häßliche Tier, das ihm ganz abscheulich vorkam, auf den Arm nahm, an ihren weißen Busen drückte und die schwarze Schnauze mit ihren himmlischen Lippen küßte, verging ihm alle Geduld und er rief voller Verzweiflung aus: Mußte ich, der durch ein trauriges Geschick vor dir, vielleicht auf immer, in einer getrennten Gegenwart lebe, der ich durch dich alles, auch mich selbst, verloren habe, muß ich vor deinen Augen sehen, daß eine so widernatürliche Mißgeburt dich zur Freude reizen, deine Neigung fesseln und deine Umarmung genießen kann! Soll ich noch länger nur so hin- und wiedergeben und den traurigen Kreis den Fluß herüber und hinüber abmessen? Nein, es ruht noch ein Funke des alten Heldenmutes in meinem Busen; er schlage in diesem Augenblick zur letzten Flamme auf! Wenn Steine an deinem Busen ruhen können, so möge ich zu Stein werden; wenn deine Berührung tötet, so will ich in deinen Händen sterben.

 

"It is not well," exclaimed the Lily, "that you should vex my eyes with that odious bird, which has only this day murdered my little favourite." "Blame not the luckless bird," exclaimed the youth," rather condemn yourself and fate, and let me find an associate in this companion of my grief."
Mops, in the meantime, was incessant in his caresses; and the Lily responded to his affection with the most gentle tokens of love. She clapped her hands to drive him away, and then sportively pursued to win him back. She caught him in her arms as he tried to escape, and chased him from her when he sought to nestle in her lap. The youth looked on in silence and in sorrow; but when at length she took him in her arms, and pressed him to her snowy breast, and kissed him with her heavenly lips, he lost all patience, and exclaimed in the depth of his despair, "And must I, whom a sad destiny compels to live in your presence) and yet to be separated from you, perhaps for ever, - must I, who for you have forfeited everything, even my own being, - must I look on and behold this 'defect of nature' gain your notice, win your love, and enjoy the paradise of your embrace? Must I continue to wander and measure my solitary way along the banks of this stream? No! A spark of my former spirit still burns within my bosom. Oh that it would for the last time mount into a flame! If stones may repose within your bosom, then let me be converted to a stone; and, if your touch can kill, I am content to receive my death at your hands."


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